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Bordunterhaltung

Heute sind wir es gewohnt, dass an allen Rücklehnen der Vordersitze – zumindest der Mittel- und Langstreckenflugzeuge – Bildschirme prangen. Ein Grossangebot an Filmen, jederzeit individuell abspielbar, Dutzende von Musikkanälen, Fluginformationen, onboard Kameras etc.

Das war aber nicht immer so! Bei der Balair war es im 1979 das Flagschiff, die McDonnell-Douglas DC10/30 HB-IHK, welches als erstes Flugzeug der Flotte über ein „Bordkino“ verfügte. (Über unsere ersten Erfahrungen mit dem Bordkino gibt es einen kleinen Bericht unter Short Stories (balair-friends.ch).)

Bei unserem ersten Bordkino in der DC10 HB-IHK handelte es sich um richtige Filmprojektoren! In jeder der drei Sektoren war am vorderen Bulkhead eine herunterklappbare Leinwand installiert, und davor vor den Center-Hatracks ein riesiger, sauber verschalter Projektor. Die Filmspulen waren dabei horizontal unter dem Projektor angebracht, und darauf war immer der Film für sowohl den Outbound- als auch für den Homebound-Leg aufgespult. Auf dem Film waren auch die optischen Tonspuren für DE/FR und EN platziert.

War nun nach dem Start die erste Mahlzeit serviert und die Kabine bereit für den Film, so mussten die drei Leinwände heruntergeklappt und alle Fensterblenden geschlossen werden. Danach konnte der Film gestartet werden. Die Paxen mussten den Film natürlich anschauen, ob sie wollten oder nicht, und das Einschalten der Leselichter oder gar das hochschieben der Fensterblenden durch die Ignoranten oder Filmverweigerer wurde im gnädigsten Fall mit bösen Blicken quittiert. Die Passagiere jeweils im hinteren Teil der Kabinensektoren mussten ihre Hälse allerdings ziemlich strecken, um an allen Sitzen vorbei noch ein Bild zu erhaschen… Den Ton empfing man über „pneumatische“ Ohrhörer, die an den Sitzlehnen eingesteckt wurden: Darin waren die Laufsprecherchen installiert, und dessen Ton wurde über die Luftsäule im Kopfhöhrer-Schlauch in die Ohrenstecker übertragen! Nicht gerade HiFi-fähig, aber es ging.

Die Zelluloid-Filme neigten natürlich sehr zum Reissen oder zum Verwickeln. Dass somit in mindestens einem Kabinensektor der Movie nicht gezeigt werden konnten, was fast normal, vor allem gegen Ende der physischen Lebensdauer dieses Films.

Zurück in Zürich kam ein externer Mitarbeiter an Bord, der berühmte Herr Trottmann, und tauschte die Filmrollen für den nächsten Flug aus. Zuhause in seinem Atelier musste er er alle Filme wieder zurückspulen auf die Trägerrolle, und natürlich die gerissenen Filme wieder zusammenkleben… Heinz Zürcher hat ebenfalls noch Erinnerungen an dieses System: «Vor dem Einbau der ersten Videoprojektoren durfte ich mit dem damaligen Chef Kabinenbesatzungen, Hansruedi Felchlin, nach New York fliegen und beim Hersteller einen „Crashkurs“ besuchen – aufgrund dessen ich dann zuhanden der mitfliegenden Techniker-Kollegen und Maîtres de Cabine einfache Checklisten für die Bedienung und mögliche Ffehlerbehebungen erstellte – was sich auf einige Resets und Llampenwechsel beschränkte … ;-)»

Später dann wurde dieses System umgestellt auf richtige Videoprojektion. Die Filmprojektoren wurden ersetzt durch VHS-Systeme mit jeweils 3 „Videokanonen“ für die Farben rot, gelb und blau. Die klappbaren Leinwände blieben bestehen. Auch ein richtiges Audio-Angebot kam dazu, und die alten „Ohrenweh-Stöpsel“ wurden ersetzt durch richtige elektronische Kopfhörer. Die Filme waren nun in Form von VHS-Kassetten permanent an Bord gelagert, und die Filmangebote konnten von den Cabin-Crews selber ausgewählt werden.

Zusätzlich gabs ein Sonderangebot, in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Fernsehen: Diese stellten uns eine Art Wochenschau der wichtigsten Ereignisse der letzten zwei Wochen zusammen – Ereignisse, Politik und vor allem Sport. Diese Filme wurden dann, auf dem Homebound-Flug, kurz vor dem Descent gezeigt, um die Passagiere für ihr Normalleben wieder auf den neuesten Stand zu bringen. In heutigen Zeiten fast nicht mehr vorstellbar, aber damals war das Internet noch nicht mal in unserer Phantasie vorhanden, und der Informationsbedarf der Passagiere war nach einem längeren Auslandsaufenthalt enorm!

Für die Audio-Unterhaltung waren verschiedene Personen in Basel zuständig – für Klassik, Oper, Unterhaltung, Hudigäggeler und Rock/Pop. Ein Lernender – heute „Azubi“ genannt hatte dafür den Dauerauftrag, die Charts zu verfolgen und die wichtigsten Pop-Hits zusammenzustellen – dafür erhielt er auch ein Abo einer Fachzeitschrift: „Billboard“. Seine Liste ging dann an die SRF, welche die Musik aufs Band brachte. Sehr modern zu jener Zeit, denn die Paxen konnten ihre Kanäle selbst wählen! Nochmals später kamen dann abermals neuere Systeme zur Anwendung, auch in den MD80-Flugzeugen: Video-Monitore, die in die Kabinendecken eingelassen waren und die dann für den Gebrauch ausgeklappt wurden. Diese Monitore wurden nun auch für das Abspielen von Emergency-Demos verwendet – eine Neuheit! Dies war für lange Jahre der Standard, bevor die Rücklehnen-LED Monitore unumgänglich waren. Der Fortschritt ist ja nicht aufhaltbar!

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