Wussten Sie schon, dass die Balair in früheren Jahren auch mal eine DC8/73 betrieb? Das kam so: Mitte der 80er Jahre bekam die Balair den Auftrag, die persönliche Präsidentenmaschine der République Gabonaise zu betreiben. Dazu aus dem Buch «BALAIR, als Fliegen noch Fliegen war», Trudi von Fellenberg-Bitzi:
Ronnie Böhlen:
Soweit der Buch-Ausschnitt. Allerdings bot dieser Auftrag dem TD in Basel die Chance, sich mit einer doch fortgeschrittener Technologie vom Kolbenzeitalter weiter zu entwickeln. Ein Mitarbeiter des technischen Dienstes war zudem meistens als Ground Engineer auf den Expeditionen.
Der OPS Planung in Basel gab es die Möglichkeit, im Rahmen einer autonomen Ops (und somit ausserhalb des Swissair-Einflusses) die resultierenden Möglichkeiten voll auszuschöpfen und dabei mit einem ausgezeichneten Cockpit-Team zusammenzuarbeiten. Wohl waren die Einsätze aufwändig und planerisch zeitintensiv, aber sie waren auch interessant – z.B. mit einem Weltrundflug BSL-LBV-WAS-LAX-HNL-HKG und zurück. Es gab also durchaus auch positive Aspekte einer solchen Zusammenarbeit!
Wie bei Sir Henry Moser üblich, ging das Ganze zügig vonstatten: Am Freitag wurde die Vereinbarung unterzeichnet, am darauffolgenden Montag durfte ich mit dem damaligen Bundesratsflugzeug (zweimotorige Grumman Gulfstream, welche zugleich als Vermessungsflugzeug für die Navigationsanlagen an den Flughäfen diente) nach Genf fliegen.
Dort wurde auch die zukünftigen Staff-Members zusammengestellt bzw. uns vorgestellt: Ein pensionierter Swissair DC10-Kapitän war für den Flugbetrieb zuständig, zusammen mit einem Catering Manager. Beide waren schon vorher für den Präsidenten auf der DC8/73 tätig. Für die Verkehrsrechte und die Ground Handlings war die Balair zuständig. Eine grosse Unterstützung waren auch die Piloten, teilweise von der Groupe Estérel, der persönlichen Transportstaffel der französischen Regierung abgeworben. Die Kabinenbesatzung, meist Verwandte des Präsidenten, wurde von Air Gabon gestellt.
Sehr speziell war die Emergency Ausbildung durch Adi Rupp von der Swissair: Als ich den gabonesischen Kontaktleuten das Programm für die Ditching-Übung mit Beginn 6 Uhr morgens im Klotener Schwimmbad Schluefweg bekannt gegeben hatte, dauerte es nicht lange, bis der Botschafter heftig protestierte. Ein solch früher Beginn sei schlicht unzumutbar. Und als wohl einzige Ausnahme in der Geschichte des Schluefweg-Hallenbads begannen wir mit der Übung um zehn Uhr morgens. Zum Vergnügen der nun anwesenden Zuschauer, welche die Vorführung der etwa 20 Gabon Flight Attendants beobachten konnten, die zum Teil etwas Mühe beim Schwimmen, dafür aber viel Spass miteinander hatten.
Dieses Flugzeug mit dem Kennzeichen TR-LTZ war grundsätzlich in Basel stationiert. Für Einsätze musste sie immer zuerst dorthin einen Ferry-Flug dorthin machen, um nach Beendigung der OPS wieder nach BSL zurückkehren. Die eingesetzte Maschine, eine DC8/73, war für die Balair übrigens ein eigentlicher Wunschtyp, denn es gab ja auch konkrete Pläne, unsere DC8/63 HB-IDZ technisch zu einer -73 zu modifizieren: Einbau modernerer und sparsamerer Triebwerke, neues Kabinenlüftungssystem und weitere kleinere Modifikatioen.
Die Inneneinrichtung des Regierungsflugzeug TR-LTZ umfasste die Suite des Präsidenten inklusive Schlafzimmer und Bad, und abgestuft nach Wichtigkeit der Passagiere Business- und Economy-Class. Und die ganze Kabineneinrichtung war installiert auf Containern, damit das Flugzeug auch Ausbau der Module als Frachter einsetzbar war. Es war also eine RC-Version!
Auch das Catering war nur vom feinsten: praktisch jeden Monat durften wir zum Testessen und Wine-Tasting im Flughafenrestaurant Basel antreten. Auch die Crew-Hotels waren sogar im Vergleich zum hohen Swissair-Standard edel: bei den regelmässigen Aufenthalten in Los Angeles war es das Beverly Hilton, die Herberge vieler Hollywood-Stars. Für die Besatzung stand jeweils H24 eine Limo für Ausflüge bereit, wenn sie denn Lust darauf hatten.
Dank meiner früheren Erfahrung in Business Aviation, der Unterstützung durch ein kompetentes Team und motivierten Balair-Ground Engineers konnten wir die geforderte Qualität liefern, wenn auch einige unruhige und durchwachte Nächte dazu gehörten. Wie bei Regierungsflügen üblich wurde meist über Nacht geflogen, um dem Präsidenten einige Stunden wohlverdiente Ruhe in seiner Suite zu ermöglichen.
Spätere Einsätze als Vollfrachter für Iberia
Nachdem wir äusserst interessante Flüge um die halbe Welt zu Staatsbesuchen organisieren und durchführen durften, folgte ein schwieriges Kapitel mit Frachtflügen im Wetlease für die Iberia von Madrid nach den kanarischen Inseln und Montréal. („Wetlease“ bedeutet die Vermietung des Flugzeugs samt Besatzung an eine andere Fluggesellschaft). Die ganze VIP-Ausrüstung wurde entfernt und das Flugzeug einer weniger rumreichen Operation zugeführt (Erinnerungen an die HB-IDU kommen auf!) Dabei wurden Früchte und Blumen transportiert, und zum Schluss sogar Kühe! An eine sehr spezielle Ladung erinnert sich der Ground Engineer Hanspeter Fischer: 40 Tonnen Zement + 1 Sarg.

Und bei einem solchen Einsatz endete dann auch das Engagement der Balair. Bei einem Frachtflug nach New York durch eine Gesellschaft mit dem abenteuerlichen Namen «Ogouee Air Cargo», mit eigenen Cowboy-Piloten und „Procedures“ und zum Glück ohne Mitwirkung der Balair hätte durchgeführt werden, misslang der Start in Frankfurt, ohne dass jemand verletzt wurde. Im April 1988, frühmorgens bei Dunkelheit, war ein Abflug in Frankfurt geplant. Die Maschine rollte zum Pistenanfang 18 und verwechselte dabei einen querab-Taxiway (TWY „W“) mit der geplanten Startpiste. Nach der Startfreigabe beschleunigte sie normal; allerdings war die vermeintliche Piste schon nach 1’200 Metern zu Ende und die Maschine kam beschädigt im Matsch zum Stillstand. Zwei Triebwerke wurden dabei von den Flügeln abgerissen. Die Besatzung blieb jedoch unversehrt und begab sich zu Fuss zurück zum Tarmac. Dieser Unfall blieb übrigens mehrere Minuten unbeachtet – der Turm hatte den Vorfall schlicht gar nicht realisiert!
In diesem Buch ist der Unfallhergang detailliert beschrieben. Hier klicken zum Lesen!

Fotos vom Crash, von H.P. Fischer (zum Vergrössern auf Bild klicken)

Die Balair konnte sich sofort von dieser Ops und der Gesellschaft distanzieren, und der Vertrag mit Gabon wurde ebenfalls beendet, womit ein Schaden abgewendet werden konnte.
Die Maschine lag ziemlich lange vor Ort im Dreck, bevor sie geborgen werden konnte. Die Bilder lassen eine eher schwere Beschädigung vermuten, aber sie konnte später wieder repariert werden. Erstaunlich, wenn man sich die Bilder der Beschädigung ansieht! Hanspeter Fischer sagt dazu schulterzuckend nur, dass sie eben ein Douglas-Flugzeug war!
Die TR-LTZ flog anschliessend nicht mehr für denselben Besitzer. Darüber sind jedoch keine Details bekannt. Ab 2006 wurde sie in Nîmes abgestellt und nach 2012 verschrottet.
Der Gabonesische Präsident hingegen fliegt heute eine standesgemässe VIP-Boeing777/200!