Flight Engineer

Von Robert Appel, in Zusammenarbeit mit Rolf Harlacher

Der Flight Engineer (F/E) war das letzte Crewmitglied, welches das Cockpit verlassen und den Weg zum reinen 2-Mann Cockpit freimachen musste.

Unverzichtbare Funktionen
Der F/E hatte hauptsächlich technisch wichtige Funktionen: Sein Hauptjob war die Überwachung und Bedienung aller technischen Systeme, damit sich die Piloten auf das Fliegen konzentrieren konnten. Und diese Systeme waren in der Regel sehr komplex und allesamt elektrisch/mechanisch – und damit auch pannenanfällig. Er musste und konnte kleinere Reparaturen wie Kerzenwechsel am Motor oder Ersatz gewisser Anzeigeinstrumente gleich selber vornehmen. Dafür führte man an Bord immer ein Flight-Kit mit am ehesten benötigten Ersatzteilen sowie entsprechendem Werkzeug mit.

In früheren Zeiten war er auch so etwas wie ein Mädchen für alles. Auf Flugplätzen, wo kein lizenzierter Bodenmechaniker zur Verfügung stand, war er überdies für die Betankung zuständig, und diese erfolgte früher nicht über einen einzigen Druckbetankungs-Anschluss, sondern für jeden Tank via separate Overwing-Füllstutzen. Daneben musste er hin und wieder auch Motorenöl und Wasser-Methanol auf den Flügeln bzw. den Motorgondeln nachfüllen, was einiges an Schwindelfreiheit und Trittsicherheit voraussetzte… Oftmals war er auch für die Beladung der Maschine und dem Load/Trimsheet (Gewichts- und Scherpunktberechnung) verantwortlich. Es konnte auch vorkommen, dass er auf einem Nightstop das Flugzeug von Passagier- auf Frachtversion (oder umgekehrt) umbauen musste: Sämtliche Passagiersitze von Hand demontieren und ausladen, Frachtnetze und Spannsets (oder Hanfseile) montieren. Wenn diese Arbeiten beendet waren, kamen dann die ausgeruhten und frisch geduschten Piloten zurück und der Flug konnte weitergehen… Tempi Passati!

Vorarbeiten für den Flug
Vor dem Flug führte er sehr umfangreiche technische Kontrollen durch, inklusive Motorenöl- und Hydraulik-Füllstände, das Abstechen des Benzin-Füllstands mit dem Dripstick sowie das Ablassen von Wasseranteilen in den Treibstoffanks (Fuel Drain), und dem Reifendruck. Eine Besonderheit der damaligen Sternmotoren war es, dass sich im Stand Motorenöl in den hängenden Zylindern ansammeln konnte. Öl ist nicht kompressibel, und ein normaler Motorenstart mit Ölansammlungen hätte einen Hydraulic Lock, eine zu hohe Zylinderkompression hervorgerufen und damit Schäden an den Zylinderköpfen oder Pleuelstangen verursacht. Deshalb musste nach längeren Standzeiten bzw. vor dem ersten Motorenstart pro Tag der Motor ohne Zündung mehrere Umdrehungen langsam durchgedreht werden, um das Öl über die Auslassventile in die Auspuffanlage zu pumpen (was beim späteren Starten des Motors jeweils zu einer beeindruckenden Rauchfahne führte). Hatte der Motor dabei ein Hydraulic Lock, musste das Öl via Zündkerzenöffnung abgelassen werden. Nach längeren Standzeiten kam noch das Pre-Oiling dazu, mit welchem die beweglichen Teile des Motors nach einer wieder vorgeschmiert wurden; etwas, was in der Regel allerdings durch die Home Base Maintenance erledigt wurde.

Motorenstart
Auch das Starten der Motoren war ein komplexes Prozedere, indem zuerst 12 passierende Propellerblätter (4 Motorumdrehungen) durch die Piloten ausgezählt werden mussten. Erst dann durfte der F/E die Zündung einschalten. Viel Routine erforderte es dann, die Triebwerke zum Leben zu wecken, ohne sie zu sehen oder zu hören, nur anhand der Motoreninstrumente – keine leichte Aufgabe! Dafür musste er Treibstoffmenge und Benzingemisch variieren und spüren, wann genau der Motor zum Laufen kam. Kenner können erahnen, wie schnell ein Motor dabei „versoff“, wenn das Gemisch zu fett „rich“ oder der Motor nicht anspringen konnte, weil das Gemisch zu mager „lean“ war. In diesem Fall drohte der Startermotor zu überhitzen, und deswegen musste der Vorgang zur Abkühlung unterbrochen werden, um einen Schaden am Starter zu verhindern. Aber auch Luftdruck, Aussen- und Motorentemperatur spielten eine entscheidende Rolle dabei, wie gut das Triebwerk ansprang. Und bei laut knallenden Fehlzündungen war dem F/E der Spott sicher!

Auch spätere, komplizierte Turboprop-Motoren mussten beim Startvorgang genauestens überwacht werden. Eine falsche Treibstoffeinstellung liess die Temperatur in der Hot Section hochschnellen, und deshalb musste (nicht nur) während des Triebwerkstarts laufend die EGT (Exhaust Gas Temperature) überwacht und mit dem Fuel Trimmer reguliert werden. Eine zu späte Reaktion konnte ein Triebwerk schnell ruinieren. Hier war also grosse Konzentration und Feingefühl gefragt!

Mit den heutigen modernen Triebwerken geht das einfacher: Select Ignition – Engine Master Switch on – fertig. Der Startvorgang verläuft automatisch und computerüberwacht.

Start und Reiseflug
Zurück zu den Sternmotoren: Vor dem Take-Off war ein Magneto Check zwingend vorgeschrieben. Hatte das Motorenöl eine betriebsfähige Temperatur erreicht, wurde ein Motor nach dem anderen in eine mittlere Drehzahl gebracht und jeder Zylinder mit dem Zünd-Oszillograph kontrolliert. Das geschah über die Zündkerzen (2 pro Zylinder x 18 Zylinder = 36 Checks – pro Motor!). Das Oszillografen-Zündbild liess verlässliche Rückschlüsse über den Zustand jedes Zylinders und somit des ganzen Motors zu. Ebenfalls wurde die Motorleistung bei allen 2 und kombinierten Zündkreisen einzeln kontrolliert (left, right, both). Diese Checks fanden in einer speziellen Bucht auf dem Taxiway, in der Nähe der Pistenschwelle statt. Bei alten Taxiways sind diese heute noch zu sehen.

In der Take-Off Phase musste der Bordmechaniker peinlich genau die maximale Drehzahl überwachen, welche zwar grundsätzlich durch einen Regler (Governor) limitiert wurden. Aber ein unkontrolliertes Hochschnellen der Drehzahl (Propeller Runaway) konnte trotzdem immer wieder vorkommen, was im besten Fall einen Motorenwechsel nötig machte und im schlechtesten Fall das Triebwerk ruinierte. Überhaupt bediente sie der F/E in jeder Phase, und zwar nach den Befehlen des fliegenden Pilots. Leistungs-Parameter war dabei die „Manifold Pressure“, der Ladedruck in atmosphärischem Druck pro Quadrat-Zoll, gemessen zwischen Kompressor und den Zylindern. Leistungsveränderungen zogen aber immer auch zusammenhängende Einstellungen mit sich: Motor-Drehmoment (BMEP, Brake Mean Effective Power), Propellerverstellung und Drehzahl (RPM, Revolutions per Minute). Der in jeder Flugphase benötigte Leistungswert (Manifold Pressure) wurde von den Piloten laufend dem F/E diktiert, der die Leistungshebel entsprechend bediente. Vor allem im Landeanflug war das eine grosse Arbeit, weil ja die Sinkrate via Motorleistung laufend korrigiert werden musste.

Rückblickend erscheint uns dieses Prozedere als eine fast schon amüsante Szene!

Bei Steig- und Sinkflug verändert sich der atmosphärische Druck laufend, und entsprechend musste immer wieder das Benzingasgemisch angepasst und die Propellerverstellung bedient werden; die Motoren wurden „geleant“. Und um die Zylinderkopf- und Öltemperatur in den Limiten zu halten, musste der F/E regelmässig laufend die Stellung der Motoren- und Ölkühlerklappen (Cowl Flaps) verändern. Nicht zu vergessen die Vergaservorwärmung für feuchte und kalte Luftschichten.
Ein spezieller F/E für die Triebwerk-Settings! „DC6-Bippeli-Flug BEG-BGW“

Bei Steig- und Sinkflug verändert sich der atmosphärische Druck permanent, und entsprechend musste laufend das Benzingasgemisch angepasst und die Propellerverstellung bedient werden – die Motoren wurden „geleant“. Und um die Zylinderkopf- und Öltemperatur „im grünen Bereich“ zu halten, musste der F/E laufend die Stellung der Motoren- und Ölkühlerklappen (Cowl Flaps) verändern. Nicht zu vergessen die Vergaser- bzw. die Ansaugluftvorwärmung für feuchte und kalte Luftschichten.

Einmal auf Reiseflughöhe konnte er sich dann auf die reine Kontrolle der Instrumente konzentrieren. Bleiben noch die Weight Reduction-Berechnungen: Die Treibstoffmenge und somit das Flugzeuggewicht nimmt laufend ab, und damit auch der Leistungsbedarf. Die Motorleistung muss deshalb laufend neu errechnet und angepasst werden.

Der Arbeits- und Kontrollaufwand für die damaligen grossen und sehr empfindlichen Motoren war also immens, sodass der F/E unumgänglich war. Bei den kleineren, zweimotorigen Flugzeugen (wie z.B. der Convair CV440 «Metropolitan»), die ja nur in niedrigen Flughöhen verkehrten, wurde auf den F/E verzichtet, womit die Motoreneinstellungen natürlich nie so genau gemacht werden konnten. Eingebaut wurden deshalb vor allem neuere oder frisch revidierte Motoren, die dann nach einer gewissen Laufzeit ausgebaut und in 4-motorigen Flugzeugen den F/E’s für einen schonenderen Betrieb anvertraut werden konnten – die CV440 verwendeten dieselben Motoren wie die DC6.

Bei den Douglas DC4, DC6 und DC7 besetzte der F/E einen unbequemen Klappsitz zwischen den Piloten, von wo aus er ins Geschehen eingriff, während z.B. in der Lockheed «Constellation» dem Bordmechaniker ein eigenes, seitliches F/E-Desk mit eigenem Instrumentenpanel sowie separaten Leistungs- und Gemischhebeln sowie Prop-Verstellung zur Verfügung stand. Daneben hatte dieser auch ein eigenes Tischchen vor dem grossen Instrument-Panel, worauf er seine Logbücher und Leistungsgrafik-Blätter ausbreiten konnte.

Jetflugzeuge
Kennstn du den Unterschied zwischen einem Flight Engineer und einem Hund? Der Hund schläft unter dem Tisch. Und damit sind wir bei den Jet-Flugzeugen, in welchen die F/E’s nicht mehr die gleichen Arbeitsbelastungen zu bewältigen hatten.

Die Triebwerke wurden nach wie vor durch die F/E’s gestartet, ansonsten war die Bedienung der Triebwerke nun die Sache der Piloten; der F/E machte nur kleine Anpassungen der Settings. Der Hauptteil seiner Arbeit war die Überwachung aller Systeme und das Führen des technischen Logbuchs. Im Reiseflug nahm der F/E ebenfalls alle 20 Minuten die Weight Reduction-Berechnungen vor, indem er die aktuelle Teibstoffmenge zum Zero Fuel Weight addierte, was das aktuelle Mass Weight ergab, und errechnete anhand der Grafik-Blätter das korrekte Power Setting, welches er dem Piloten mitteilte. Bei modernen Flugzeugen erledigt dies das Flight Management System vollautomatisch und laufend.

Der Flight Engineer in Action (DC8)

Bei welchen Jetflugzeugtypen ein F/E eingesetzt werden musste, war hauptsächlich von der Anzahl der Triebwerke geregelt. Frühe 2-motorige Jetflugzeuge wie die DC9, BAC1-11 oder B737 benötigten keine F/E’s, aber bereits ab 3 Motoren (B727 oder DH121 «Trident», L1011 «Tristar» oder DC10) oder für die frühen 2-motorigen Widebodies (A300, A310) sowie natürlich alle 4-motorigen Maschinen (DC8, B707, CV990 «Coronado», VC10 oder B747-100/200/300 «Jumbo») war ein Flight Engineer nach wie vor Voraussetzung für den Betrieb.

Aus ökonomischen Gründen, wegen der steigenden Verlässlichkeit der Triebwerke und aufgrund der neuen technischen Möglichkeiten drängten sich 2-Mann Cockpits ohne F/E auf, was jedoch bei den Cockpit-Crews und ihren Gewerkschaften erst mal vehement bekämpft wurde. Hierbei bot Airbus eine geniale Übergangslösung an: Bei der letzten Version der A300, der -600, wurde auf die spezielle F/E-Station verzichtet und dafür ein Mittelsitz zwischen den Piloten eingerichtet, von welchem der F/E dieselben Instrumente, Schalter und Hebel bedienen konnte. Das Ganze nannte man „Forward-Facing Crew Cockpit“, FFCC, und dieses wurde optional auch für die A310 angeboten, die bereits ohne F/E zertifiziert werden konnte. Das 2-Mann Cockpit war im Prinzip Wirklichkeit. Die Version 400 der Jumbo-Jets und die MD11 hatten beide, anders als ihre Vorgänger-Versionen, nur noch 2-Mann Cockpits.

Das Ende der F/E‘s
Reparaturen führten die Flight Engineers der letzten Generation nicht mehr selber durch, sondern schrieben die festgestellten Mängel (Complaints) für den Ground Engineer ins Logbuch. So wurde der „dritte Mann“ langsam überflüssig – auch durch die fortschreitende Computerisierung. Die Swissair, die in den letzten Jahren der DC10 und der B747-300 nur noch wenige F/E’s ausgebildet hatte (und welche zudem nicht mehr unbedingt einen technischen Berufshintergrund haben mussten), schulte diese später nach Möglichkeit zu Piloten um.

Heute gibt es nur noch ganz wenige Spezialisten, die als F/E’s für historische Flugzeuge oder Spezialmaschinen wie AN124 eingesetzt werden. Der Berufstand der Bordmechaniker existiert so also nicht mehr. Ein paar sympathische Leute sind deshalb im Cockpit nicht mehr anzutreffen!