Wer – ob Flight Attendant, Statiönler, Ops Planer – kannte sie nicht, unsere treuen Seelen an Bord: die Ground Engineers! (G/E) und später Flying Station Engineers (FSE) genannt?
Heinz Zürcher: Eine nostalgische Rückschau im Mai 2021
Nach allen Destinationen, an denen kein entsprechend ausgebildeter Station Engineer (S/E) zur Verfügung stand, flog einer der zeitweise elf Balair-G/E mit der BAZL-Lizenz eines „Luftfahrzeugmechanikers M“ für DC8, MD80, DC10, A310 sowie z.T. Fokker F100 mit. Seine primäre Aufgabe war, den technischen Zustand des Flugzeuges nach jeder Landung gemäss detaillierten Vorschriften/Checklisten zu kontrollieren, von den Piloten im Logbuch beanstandete oder während der Kontrolle gefundene Störungen zu lokalisieren, zu beheben, und die Maschine durch die „Maintenance-Release“ (die Unterschrift im Logbuch) wieder als „lufttüchtig“ zu erklären. No Release – no Takeoff!
Ausser z.B. JFK, BKK und NBO waren es also all die vielen, teils exotischen Flugplätze in der Karibik (Antigua, St. Lucia, Barbados, Guadeloupe, Jamaica, Cuba), Afrika (Mombasa, Lomé, Frachtflüge nach Lagos, Mogadishu, Kano u.v.A), aber auch kleine Feriendestinationen in Europa und im Nahen Osten, an welchen ein technisch gegroundetes Flugzeug hohe Kosten verursacht hätte.
Der intern auch als «Meccano» bekannte Mann von der Technik war aber nach dem «Kolbenzeitalter» nur noch selten mit mechanischen Störungen konfrontiert und hatte auch hydraulische, pneumatische, elektrische – und mit der Modernisierung der Flotte zunehmend elektronische Probleme zu lösen. Die umfassende Bezeichnung «Techniker» passte darum im Jet-Age besser zum Berufsbild.
Bei der BALAIR gehörte auch die Überwachung von Betankung, Reinigung, Pushback, Water/Waste-Service und des Gepäckhandlings am Flugzeug zum Aufgabenbereich des G/E. An einigen Destinationen war das Bodenabfertigungspersonal nicht oder nur ungenügend mit den Frachtraumtüren, dem automatischen Beladesystem (DC10/A310), den Frischwasser- und Toilettensystemen unserer Flugzeuge oder dem korrekten Positionieren der Passagiertreppen vertraut und mussten jeweils vom G/E instruiert oder mindestens überwacht werden. Eine einzige Fehlmanipulation hätte unter Umständen ein längeres AOG (Aircraft on Ground) und/oder hohe Kosten verursachen können.
Nur ein Beispiel: Bei einer knapp unterhalb der geöffneten Passagiertüre positionierten Treppe besteht während der Betankung die Gefahr, dass die Türe durch das sich unter dem zunehmenden Gewicht senkende Flugzeug auf der Treppe aufliegt und die Türscharniere verbogen werden. Eine Reparatur könnte mehrere Tage dauern, und an die Logistikprobleme bei der Beschaffung von Ersatzteilen an irgendeinen entlegenen Ort mag man gar nicht denken !
Der BALAIR-G/E war, vor allem an Destinationen ohne Balair-Supervisor, auch so etwas wie der verlängerte Arm der Ground Ops BSL: Als ausgebildeter Loadmaster war er verantwortlich für eine vorschriftsgemässe Beladung und die Berechnungen auf dem Load- und Trimsheet. Die grosse Herausforderung für den G/E war dann jeweils die Regieführung während eines Transitstopps – also die Koordination aller Tätigkeiten des Boden-, Cockpit- und Kabinenpersonals. Der Handling Agent wurde orientiert, zu welchem Zeitpunkt die Passagiere einsteigen können, das C/C, dass die Betankung beendet war, und die Cockpitcrew, in wievielen Minuten mit dem „ready for Engine Start“ gerechnet werden kann.
Jedesmal ging es darum, unter Berücksichtigung von Sicherheit, Pünktlichkeit und Passagierkomfort (in dieser Reihenfolge) die optimale Lösung anzustreben und die entsprechenden Prioritäten zu setzen. Dies, je nach Ort des Geschehens und je nach zwischenmenschlichen Beziehungen unter manchmal sehr unterschiedlichen Voraussetzungen.
Nach einem oft kurzen, aber unter Umständen doch recht gestressten Bodeneinsatz wäre dem G/E eigentlich ein bequemer Rückflug gegönnt gewesen. Im Gegensatz zu seinen Swissair-Kollegen (welche normalerweise wie Passagiere reisten), war aber für ihn kein Platz in der Kabine reserviert. Er flog deshalb als Cockpit-Crewmember auf dem Beobachtersitz mit und unterstand dort den entsprechenden FOM-Vorschriften. Dies war mit ein Grund, weshalb die BB-G/E gemeinsam mit den Flight Attendants die jährlichen Wiederholungskurse der Notverfahren (EPR / Emergency Procedures Refresher) absolvierten. Wenn also bei Minimum Crew einmal ein F/A z.B: krankheitshalber ausfiel, konnte der G/E dessen Emergency Duty übernehmen.
An Schlaf war also bei Full House nicht zu denken; wohl aber an zusätzliche (freiwillige!) Arbeiten während des Fluges – sei es, um im Auftrag des Captains Passagieren das Cockpit zu erklären, defekte Lampen zu ersetzen, Sitzverstellungen, Frischluftdüsen, Video- und Musikanlagen wieder funktionstüchtig zu machen oder ein verklemmtes Ablagefach zu öffnen. Ein gratis Inflight-Service also, wie ihn nicht einmal Linienpassagiere geniessen. «Be smarter – fly BALAIR-Charter!» war unser Motto, und gegen ein zusätzliches Dessert liess sich der G/E auch oft als Galley-Steward einspannen….
Schliesslich war auch noch „das Büro“ zu erledigen, denn alle technischen und operationellen Vorfälle und Unstimmigkeiten mussten rapportiert werden.
Die G/E-Einsätze plante der Balair-Dispatcher Hans Schmausser gemäss Vorgaben der Ops BSL, und für die Änderungen während des laufenden Monats war dann die Cockpit-Crewdisposition der Swissair zuständig. Bei G/E-Knappheit halfen auch die lizenzierten Kollegen vom Balair Flugbetrieb Basel (BSLMMSR) und der Swissair (TWS) aus.
Gemeinsam mit den Swissair Station Engineers wurden auch alle drei Jahre die vorgeschriebenen technischen Refresher jedes Flugzeugtyps absolviert.
Nach der Einführung des Zweimanncockpits (ohne Flight Engineer) nahm die Tätigkeit vom „Mann der Technik“ an Bedeutung zu, denn es wird zweifellos noch lange dauern, bis ein Computer in der Lage sein wird, undichte Hydraulikleitungen zu reparieren oder Komponenten auszuwechseln. Ausserdem lassen sich dort, wo kein G/E hinfliegt, fremde Gesellschaften ihre Dienste an Flugzeugen recht teuer bezahlen.
Bei technischen Störungen während des Fluges konnte der G/E die Konsequenzen für die Homebase-Maintenance häufig am besten abschätzen. Es war deshalb sinnvoll, wenn der Kommandant – nach Absprache mit dem G/E – technische Mitteilungen über Funk ans MCC (Maintenance Control Center) an ihn delegierte.
Vor der Erfindung der Mobiltelefonie sandte der G/E nach Möglichkeit jeweils eine „MAINTAVI“ Telex-Meldung ans MCC und die ELS (Einsatzleitstelle).
Bekanntlich sind auch Piloten dazu autorisiert, Transitkontrollen und Betankungen durchzuführen und tun es im Bedarfsfalle auch. Der Fachmann am Boden aber – und „ein Mann für viele Fälle“ – bleibt der FLYING STATION ENGINEER.
Zusätzliche Fähigkeiten wie das z.B. das Erzählen der neuesten Witze oder Piccolo Spielen während der Betankung standen zwar nicht auf dem G/E-Pflichtenblatt – wurden aber von den Besatzungen jeweils sehr geschätzt ! 😉